23. Februar 2022
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy, www.tchrd.org

Nach Zerstörung der Buddha-Statuen in Drango: China unterzieht tibetische Häftlinge der „Umerziehung“ und schränkt die sozialen Medien drastisch ein

Nach der Zerstörung von zwei riesigen Buddha-Statuen sind die chinesischen Behörden durchgreifend gegen Laien und Mönche vorgegangen, um zu verhindern, daß Informationen über ihr scharfes Vorgehen im Kreis Drango (chin. Luhuo) in der Autonomen Tibetischen Präfektur Kardze (chin. Ganzi) in der tibetischen Provinz Kham Online verbreitet werden.

Wir wissen von mindestens 10 Tibetern, die im vergangenen Monat festgenommen wurden, darunter eine Frau namens Lhamo Yangkyi aus dem Dorf Trolpa. Tenzin Nyima und Tashi Dorje, beide Mönche des Klosters Drango Namgyal Ling, wurden am 1. Januar festgenommen. Ein weiterer Mann namens Tsering Samdup aus der Nomadensiedlung Norpa und sechs weitere nicht identifizierte Tibeter wurden drei Tage später ebenfalls festgenommen.

Die meisten Verhafteten werden in einer „Umerziehungseinrichtung“ in Thangnakma in der Nähe des Dorfes Dropa, etwa 5 km von der Kreisstadt Drango entfernt, festgehalten. Früher eine Polizeistation wurde sie 2012, als viele Tibeter wegen massiver Proteste in Drango ins Gefängnis kamen, in eine „Umerziehungseinrichtung“ umgewandelt. Das TCHRD hat ein Satellitenbild und ein Foto der „Umerziehungseinrichtung“ erhalten, deren Außenfassade an ein traditionelles tibetisches Haus oder einen Tempel erinnert. 

Satellitenaufnahme von Thangnakma

Die Polizeistation in Thangnakma wurde offenbar nach dem tibetischen Aufstand von 2008 errichtet. Einer Quelle zufolge war Thangnakma Anfang 2002 eine karge Landschaft und die Polizeistation in der Öffentlichkeit kaum bekannt, bis sie zu einer extralegalen Einrichtung für die so genannte Umerziehung ausgebaut wurde, in der Andersdenkende ungeachtet des üblichen Rechtssystems inhaftiert und bestraft werden.

„Diese Umerziehungseinrichtungen, in denen Tibeter ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten werden und dem Ermessensspielraum der Polizei ausgeliefert sind, sind illegal. Sie sind ein Beweis dafür, daß die chinesischen Behörden nun eine andere Form des gefürchteten Systems der 'Umerziehung durch Arbeit' betreiben, das 2013 angeblich abgeschafft wurde“, sagte Nyiwoe, eine Mitarbeiterin des TCHRD.

Quellen informierten das TCHRD, daß die Insassen in der Thangnakma-Haftanstalt nicht nur „umerzogen“ werden, sondern auch Zwangsarbeit und Folter ausgesetzt sind. Auf diese Weise erlitt Tenzin Nyima eine Augenverletzung.

Einige andere Tibeter wurden ebenfalls inhaftiert, weil sie sich gegen den Abriß gewehrt und Außenstehenden davon berichtet hatten. Ihre Identität kann aufgrund der intensiven Überwachung durch die Regierung nicht unmittelbar festgestellt werden.

Ebensowenig kann das Schicksal von Pelga und Nyima, dem Abt und dem Verwaltungsleiter des Klosters Drango, ermittelt werden. Beide waren im Oktober letzten Jahres, etwa 15 Tage vor der Zerstörung der Klosterschule von Drango, von der Polizei festgenommen worden. Ihr derzeitiger Zustand und ihr Verbleib sind weiterhin unbekannt.

Umerziehungslager Thangnakma

Auf ein weit verbreitetes scharfes Vorgehen im Bezirk Drango weist auch hin, daß die Polizei drei tibetische Pilger festnahm, nachdem sie mit Fotos der kürzlich zerstörten Statuen auf ihren Handys angetroffen wurden. Die Pilger, die als Asang, Dorta und Nortso genannt wurden, waren nach einer Pilgerreise zur buddhistischen Akademie Larung Gar im Kreis Sertha in der TAP Kardze auf dem Rückweg in ihren Heimatort im Kreis Dragyab in der Präfektur Chamdo (chin. Changdu), Autonome Region Tibet. Sie waren der Polizei in Dragyab übergeben worden.

Die Verhaftung und Folterung von einheimischen Tibetern ist das Ergebnis ständiger Hausdurchsuchungen und stichprobenartiger Telefonüberprüfungen. Einheimische Tibeter, die sich in der Nähe der Abrißstellen aufhielten, wurden angehalten und ihre Telefone wurden beschlagnahmt.

Die verschärften Einschränkungen für soziale Medienplattformen wie WeChat haben eine abschreckende Wirkung auf die Online-Aktivitäten ortsansässiger Tibeter, die nun zögern, ihre Sorgen über das anhaltende harte Durchgreifen des Staates mit außerhalb Tibets lebenden Tibetern zu teilen.

Mindestens ein Tibeter (aus Sicherheitsgründen ungenannt) im Exil berichtete, daß seine Familienmitglieder von der örtlichen Polizei befragt und eingeschüchtert wurden, nachdem die Nachricht über den Abriß der Statuen bekannt geworden war.

Die Überwachung von Online-Aktivitäten durch die Regierung wurde intensiviert, nachdem die zentrale Propagandaabteilung des Parteistaats im August letzten Jahres in Zusammenarbeit mit neun anderen Abteilungen und Behörden von Partei und Regierung eine landesweite Kampagne zur Bekämpfung von „illegalen“ Online-Aktivitäten und Fake News gestartet hatte.

Eine Reihe willkürlicher Durchsuchungen durch die örtliche Polizei Ende August letzten Jahres in der Gemeinde Wonpo (chin. Wenbo) im Kreis Sershul (chin. Sequ) in der TAP Kardze hatte zur Folge, daß mehr als hundert Tibeter ohne Anklage inhaftiert wurden, weil sie Fotos Seiner Heiligkeit des Dalai Lama besaßen.

Das TCHRD fordert die chinesischen Behörden auf, das anhaltende harte Vorgehen gegen die Tibeter in Drango und anderswo in Tibet sofort einzustellen und die Verletzung der Menschenrechte auf Meinungs-, Rede- und Informationsfreiheit, Religions- und Glaubensfreiheit sowie auf Freiheit von Folter, Mißhandlung und willkürlicher Inhaftierung zu beenden.

Die chinesischen Behörden müssen alle außergesetzlichen Hafteinrichtungen schließen, die zur Unterdrückung von nicht von der Regierung unterstützten Formen der Meinungsäußerung und des Dissenses genutzt werden. Die in diesen Einrichtungen inhaftierten Tibeter werden unmenschlich behandelt und unter extremen psychologischen Druck gesetzt, damit sie sich dem Diktat des chinesischen Parteistaates beugen, wozu auch gehört, daß sie ihren verehrten Führer, den Dalai Lama, anprangern müssen.

Das Zentrum fordert weiterhin die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen, ausländischer Regierungen, Menschenrechtsaktivisten und anderer Mitglieder der Zivilgesellschaft auf, Druck auf die chinesische Regierung auszuüben, damit diese alle Gewissens-Gefangenen freiläßt und die Menschenrechte und Grundfreiheiten des tibetischen Volkes respektiert und garantiert.